Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss mal wieder im Fokus
Regelmäßig zu Anfang des Jahres kommt Deutschlands Überschuss in der Leistungsbilanz in die Diskussion. Vielen internationalen Beobachtern ist er schlicht zu groß. Nicht nur der IWF und die USA vertreten diese Meinung. Auch die EU-Kommission spart nicht mit Kritik.
Im vergangenen Jahr dürfte der deutsche Überschuss bei rund 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelegen haben. Damit ist er im Vergleich zu den Vorjahren zumindest leicht gesunken. Im Jahr 2015 hatte der Leistungsbilanzsaldo mit 8,5 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung einen Höchststand erreicht, 2016 ist er dann auf 8,2 Prozent zurückgegangen. Die EU hat als kritischen Schwellenwert einen Überschuss von mehr als 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) definiert. Dann drohe ein „makroökonomisches Ungleichgewicht“, das gefährlich sein könne.
Die expansive Geldpolitik der EZB und der Ölpreisverfall waren in den letzten Jahren wichtige Treiber für den hohen Überschuss. Diese beiden Faktoren, auf die die deutsche Politik keinen direkten Einfluss hat, dürften alleine für rund drei Prozentpunkte des Überschusses verantwortlich gewesen sein, wobei der Ölpreis ja im letzten Jahr wieder etwas gestiegen ist und damit etwas an Bedeutung verloren hat.
Vielfach wird von Deutschland gefordert, die Politik solle doch aktiv gegensteuern, etwa über zusätzliche Investitionsausgaben. Diese würden das Wachstum ankurbeln und damit auch die Nachfrage nach ausländischen Produkten. Das wiederum würde dann den Überschuss in der Leistungsbilanz reduzieren. Der Einfluss der Staatsausgaben auf die deutschen Importe ist jedoch viel zu gering, um mit einem Investitionsprogramm eine ausreichende Wirkung zu erzeugen. Wenn Deutschland ein gesamtstaatliches Investitionsprogramm zum hälftigen Abbau des Leistungsbilanzüberschusses auf den Weg bringen wollte, müsste das staatliche Investitionsvolumen nach unseren Berechnungen insgesamt etwa vervierfacht werden, um die erforderliche Größe zu erreichen. Ein solches Programm ist in jeder Hinsicht unrealistisch. Es gibt hierzulande weder genug Investitionsprojekte noch entsprechende Kapazitäten in der Bauindustrie.
Im Übrigen braucht Deutschland auch kein Konjunkturprogramm. Aus makroökonomischer Perspektive muss berücksichtigt werden, dass sich die deutsche Volkswirtschaft insgesamt nicht in einer Phase der Unterauslastung befindet, in der ein Konjunkturprogramm vielleicht seine Berechtigung hätte. Insbesondere auf dem Arbeitsmarkt gibt es nur noch wenig Spielraum: Der Beschäftigungsstand ist hoch und die Arbeitslosigkeit sinkt seit Jahren. Sie ist mittlerweile auf dem tiefsten Stand seit 1991 angelangt, die Arbeitslosenquote ist die niedrigste in ganz Europa. Schon heute herrscht zumindest in Teilen der Bundesrepublik Facharbeitermangel.
Was also bleibt zu tun? Es gibt durchaus Ansatzpunkte, wirtschaftspolitisch auf eine Reduktion des deutschen Leistungsbilanzüberschusses hinzuwirken. Nur sollte man sich von der Vorstellung einer kurzfristigen „Globalsteuerung“ verabschieden, wie sie in den letzten Jahren wieder zunehmend populär zu werden scheint.
Um mehr Investitionen in Deutschland anzuregen, sollten vor allem die Investitionsbedingungen verbessert werden. Dazu zählt auch die staatliche Infrastruktur, wobei hier von der Bundesregierung unter anderem mit dem Bundesverkehrswegeplan bereits eine wichtige Initiative ergriffen worden ist. Daneben ist an eine effizienzsteigernde Unternehmenssteuerreform zu denken, wie sie etwa der Sachverständigenrat wiederholt gefordert hat. Eine steuerliche Entlastung der privaten Haushalte, etwa über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags, kann den Konsum anregen. Der Abbau von Regulierungsschranken, vor allem im Dienstleistungssektor, wäre ebenfalls ein wichtiger Schritt zu besseren Wachstumsbedingungen in Deutschland.
Diese Maßnahmen wirken allerdings nicht kurzfristig, sondern eher mit Blick auf die kommenden 5-10 Jahre. Dann wird sich aller Voraussicht nach auch der demografische Wandel in Deutschland nicht mehr positiv, sondern allmählich negativ auf die Leistungsbilanz auswirken. Denn die abnehmende Zahl an (jüngeren) Erwerbspersonen und der steigende Rentneranteil werden dazu führen, dass die Ersparnis zugunsten des Konsums zurückgehen wird. Auch dafür muss heute mit einer vorausschauenden und langfristig orientierten Wirtschaftspolitik Vorsorge getroffen werden.